Erstmal eine Vorwarnung: es wird lang; vermutlich sogar sehr lang. Und emotional. Aber, ich würde behaupten: es lohnt sich, dran zu bleiben!

Zuerst ein kleines Exkurs

Die Geburt meiner ersten Tochter war ohne Zweifel das einschneidendste Erlebnis meines ganzen Lebens bis zu dem Zeitpunkt. Und das nicht nur, weil mein Leben sich schlagartig verändert hat, sondern auch weil ich so unglaublich fasziniert war, was mein Körper geleistet hatte. Als ich schwanger mit meiner zweiten Tochter war, war ich schon in Kontakt mit der Geburtsfotografie gekommen und ich hatte mich sofort in diesen emotionsgeladenen Bildern verliebt. So konnte ich es nicht lassen, eine Fotografin für unsere Geburt zu engagieren. Ich kenne also die Geburtsfotografie von beiden Seiten, hinten und vor der Kamera.

Selber eine Geburt zu fotografieren stand schon lange auf meiner Herzenswunschliste, doch ich musste mich noch gedulden, solange meine kleine Tochter noch so klein war. Aber der Moment kam, und ich bin dieser Familie so unendlich dankbar, dass ich bei der Geburt deren Tochter dabei sein durfte!

Hier also der Bericht meiner ersten Geburtsreportage, ein für mich ebenso einschneidendes Erlebnis in meinem fotografischen aber auch menschlichen Sein.

Meine erste Geburt hinter der Kamera – der Anfang

Es war Nachmittag und ich sass auf dem Schaukelstuhl mit meiner schlafenden Tochter in den Armen, als mein Telefon klingelte. Meine Bereitschaft für die Geburt hatte nicht mal offiziell angefangen, doch am Telefon kündigte sich der werdende Vater an. Ich weiss nicht, wer von uns beiden in dem Moment mehr aufgeregt war! Ich packte also alle meine Sachen fertig und wollte mich schon auf den Weg machen. Doch dann kam der Bescheid: die Hebamme gab etwas Entwarnung. Also gut, es hiess sich wieder zu Hause gemütlich machen und warten.

Ich ging abends schlafen, war aber immer mit einem Ohr beim Telefon und dementsprechend halbwach, denn es hätte jederzeit wieder klingeln können. Um etwa 2 Uhr nachts war es dann soweit: die Wellen schienen intensiver zu werden. Somit entschied ich, mich auf den Weg zu machen, obwohl die Hebamme noch nicht vor Ort war. So oder so, hätte ich nicht mehr schlafen können.

Es war eine nebelige Nacht, es hatte vor kurzem stark geregnet, die Luft war kühl und feucht.

Als ich ankam, kurz vor 3 Uhr, traf ich die Hebamme mit ihrem Koffer direkt vor dem Haus. „Ich gehe zur nächsten Frau“ liess sie mich wissen… . „Wow, busy Nacht“ dachte ich, und traf zugleich die Mutter des werdenden Vaters, die die Hebamme mit ihrem Koffer geholfen hatte. Sie erzählte mir, dass die Geburt bereits recht lange ging und die Wellen immer schmerzhafter wurden, doch das Ganze nicht richtig Fortschritte machte. Durch das halboffene Fenster hörte ich die Mutter, die die Wellen veratmete.

Es war ein spezielles Gefühl. Nachts, draussen, der Geruch von nassem Gras in der Nase, an der Türe ein Zettel, das die Hausgeburt verkündete, gedämpfte Töne der Geburt und sonst einfach Stille. Ich fühlte mich in einem Raum zwischen den Welten.

Betreten eines heiligen Raums

Wenn man als Aussenstehende den Geburtsraum betritt, spürt man sofort eine Art Magie in der Luft. Die Zeit steht still, alles ist wie gedämpft, „eingekapselt“. Ich habe beim Eintreten die Spannung, die Erwartung, die Konzentration aber auch die Ruhe und die Stille gespürt. Es war gerade ein schwieriger Moment für die werdende zweifache Mutter, sehr müde nach dem langen Tag ohne Schlaf. Doch sie bliebt trotzdem stark fokussiert und gelassen.

Ich hatte meine Kamera natürlich parat, aber ich fand den Anfang gar nicht so einfach. Ich wollte diese Magie nicht auflösen, diese Konzentration nicht stören. Im Nachhinein hat mir aber die Mutter erzählt, dass sie die Kamera gar nicht bemerkt hatte, was mir natürlich sehr gefreut hat.

Eine Nacht voll Emotionen

Die Nacht war ein absoluter Gefühlskarussell, bei dem Zweifel und Zuversicht, Anspannung und Ruhe sich abwechselten.

Eins war aber durchgehend vorhanden und förmlich spürbar: die Liebe und die unermüdliche Unterstützung der Geburtsbegleiter, sowie die Kraft der werdenden Mutter.

Ein neuer Tag beginnt

Gegen Morgen wurden die Wellen wieder stärker und sie entschied, in die Wanne zu gehen. Ihrer Partner immer auf ihrer Seite, liebevoll, ruhig und still. Sie nahm jede Welle an, stütze sich an ihm und blieb in ihrer Konzentration. Auch ihre Mutter und Schwiegermutter blieben immer bei ihr und unterstützten sie; mal mit einem Lächeln, mal mit einer Zärtlichkeit oder einem motivierenden Wort.

Doch die Wellen flachten wieder etwas ab und langsam machte sich im Raum die Möglichkeit einer Verlegung ins Spital breit. Sie war bereits sehr müde, aber die Hebamme hatte noch eine „Geheimwaffe“ und gab ihr noch etwas Zeit. Ich bin mir sicher, dass alle Anwesende in dem Moment sich ganz stark gewünscht haben, dass ihr Traum von einer Hausgeburt in Erfüllung gehen durfte und sie ganz ganz viel Kraft und positive Gedanken geschickt haben.

Ein neues Leben

Die Hebamme schlug vor, aus dem Geburtspool zu kommen, und so gingen wir alle ins Schlafzimmer.

Und plötzlich ging alles sehr schnell! Die Wellen bekamen eine andere Intensität und kurze Zeit später wurde ein wunderschönes Mädchen geboren! Mein Gehirn war extrem fokussiert, ich durfte keine einzige Sekunde verlieren, alles musste perfekt sitzen und funktionieren! Aber ein anderer Teil in mir wurde grad von einer Welle an Emotionen überrannt, die schwer zu beschrieben sind. Ich mag mich noch ganz genau erinnern, wie sich das angefühlt hatte. Plötzlich dachte ich mir „Oh nein, meine Kamera ist kaputt, sie fokussiert nicht mehr! Hilfe, was mache ich jetzt?!?“, hörte aber nie auf zu fotografieren. Und dann vereinten sich die zwei Hälften in mir wieder und ich merke, dass meine Kamera wunderbar ihren Job machte, nun meine Augen waren voll Tränen und konnte nicht mehr fokussieren. Jetzt muss ich darüber schmunzeln, damals war eher leichte Panik in Vordergrund.

Frau hält sein Baby, das grad geboren wurde, in den Armen, unterstützt von vielen Händen rundherum, Nabelschnur sichtbar

Die Luft im Rauf füllte sich in dem Moment plötzlich mit so viel Leichtigkeit, Liebe, Wunder und Erleichterung. Es war einfach magisch! Die Kleine blieb lange auf der Brust der Mutter, durfte schon mal etwas trinken und dann übernahm das Papi das Haut-an-Haut Bonding. Nachdem auch die ersten Untersuchungen von der Hebamme gemacht wurde, kuschelten die drei gemeinsam im Bett. Ich blieb noch etwas, um diese erste Momente zusammen, für immer festzuhalten. Die erste Blicke, das Stillen, die erste Zärtlichkeiten, die ihre Haut überhaupt gespürt hat, die Atmosphäre des Wunders.

Ich werde diese Geburt, die Menschen, die Momente nie vergessen und ich werde ihnen immer dankbar sein, dass sie mir die Türe in diesem einzigartigen, fragilen, intimen Moment geöffnet haben.

Die Slideshow dieser Geburt mit mehr Bildern findet ihr übrigens hier.